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Lehren für Ihre finanzielle Unabhängigkeit

Interview mit Jürg Staub.

2020 ist ein besonderes Jahr. Wie haben Sie es bisher erlebt?

Persönlich bin ich dankbar, dass bisher in meinem Umfeld niemand ernsthaft von Covid-19 gesundheitlich betroffen war und dass meine Kinder und meine Frau das Home Schooling gut gemeistert haben. Ebenso, dass wir den Bankbetrieb trotz grossem Home-Office-Anteil unserer Mitarbeiter sicher und ohne Zwischenfälle weiterführen konnten. Wenn ich bedenke, wie andere Mitmenschen weltweit getroffen wurden, dann ist Jammern einfach fehl am Platz.

Ihr Rückblick aus Sicht eines Privatbankiers?

Einmal mehr: «Panik und Gier sind schlechte Ratgeber.» Wichtig ist, die Anlagestrategie in Abstimmung mit den individuellen Kundenzielen vor einer Krise robust auszurichten und während der Krise die Kunden aktiv zu begleiten – vermehrt auch mit Einsatz digitaler Medien. Ich meine, beides ist uns dank viel Kundennähe gut gelungen. Dies zeigen einerseits die Rückmeldungen von Kunden, andererseits der Tatbestand, dass wir im 1. Halbjahr viele Neukunden gewinnen konnten. Zudem verfügen wir über eine starke Bilanz mit über 3 × mehr Eigenmitteln als vorgeschrieben. Das ist gerade in unsicheren Zeiten wichtig.

Was sind die Erkenntnisse aus Anlegersicht?

Mit Blick auf die geldpolitische Reaktion: «Mehr vom Gleichen». Das hilft kurzfristig, besorgt mich langfristig aber umso mehr. Tiefe Zinsen treiben zwar Vermögenspreise höher, aber der globale Schuldenberg wächst weiter an. Das kann nicht gut gehen. Interessant war erneut, wie die heftigen Turbulenzen die Schwächen einiger Anlagemodelle aufgezeigt haben.

Können Sie ein konkretes Beispiel ausführen?

Vor 5 Jahren bat uns beispielsweise ein Kunde um eine Einschätzung eines neuen, regelbasierten Ansatzes. Akademische Auswertungen und die nachgerechnete Zeitreihe seit den 90ern untermauerten die These, dass ein neu aufgesetzter Risikoindikator zukünftige «Tail-Events» erkenne und grössere Kurseinbrüche verhindern könne. Wir bezweifelten, dass die Risikosteuerung einzig über eine auf historischen Daten basierende Formel nachhaltig Renditevorteile bringen kann. Mit Corona trat nun erstmals ein «Tail-Risk» ein, das man mit diesem Risikomodell frühzeitig hätte erkennen wollen. De facto wurde aber just in der Baisse im Frühjahr das Aktienrisiko reduziert und die Gegenbewegung nach der Panik weitgehend verpasst. Anstatt im grössten Trubel Ruhe zu bewahren, wurden prozyklisch in der Marktschwäche Buchverluste realisiert. Wir sind überzeugt, dass die Gewichtung der Risikofaktoren kontinuierlich hinterfragt werden muss; dies bedingt einen zukunftsgerichteten und szenariobasierten Ansatz.

Was raten Sie Ihren Kunden heute?

Ein Nullzinsumfeld bedeutet, dass man als Anleger Preisschwankungsrisiken in Kauf nehmen muss, um eine Rendite zu erzielen. Daher ist es zentral, das Risikomanagement in der Struktur zu festigen und zu diversifizieren. Ebenso wichtig ist, dass die Risiken im Depot zu der jeweiligen Risikotoleranz passen. Hierfür testen wir Portfolios anhand historischer Krisen: Welche Buchverluste hätte mein Portfolio in der Finanz-, Asien- oder Internet-Krise etc. verzeichnet? Zudem zweifle ich sehr an der langfristigen Werthaltigkeit von nominellem Geld. Szenarien wie Stagflation, Hyperinflation bis hin zu «Restart» via Währungsreform sind einzubeziehen. Das wappnet uns dagegen, sich in hektischen Phasen von Nervosität und kurzfristigen Trends anstecken zu lassen. Oft hilft auch das Denken in verschiedenen «Töpfen».

Welche Töpfe?

  • «Kurzfristige Verpflichtungen»: Dieses Kapital sollte mit so geringen Ausfall und Schwankungsrisiken wie möglich aufbewahrt werden und bei Bedarf verfügbar sein.
  • «Werterhalt»: Bei Kapital mit längerfristigem Horizont und einem Fokus auf Werterhalt müssen Preisschwankungen in Kauf genommen werden; nur so kann das Vermögen über die Zeit erhalten bleiben.
  • Und bei genügend Kapitalausstattung «Chancen nutzen»: Ziel ist, mittelfristig aktive Mehrwerte zu generieren. Dies über die opportunistische Nutzung von Fehlbewertungen einzelner Anlagen wie aktuell im Distressed-Bereich oder Investments in innovative Geschäftsmodelle, wie sie «Start-ups» bieten.

So ist man gut auf das unsichere Umfeld vorbereitet. Auf die Regierungen und Notenbanken ist wohl kaum immer Verlass. Es ist unser Ansporn, Ihnen für Ihre finanzielle Unabhängigkeit mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ich danke für Ihr Vertrauen und freue mich auf anregende Gespräche.

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